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 Eisen Funde in Museumsqualität restaurieren!

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Avatar  Eisen Funde in Museumsqualität restaurieren!  (Gelesen 4764 mal)
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(versteckt)Themen Schreiber
#0
08. Juni 2016, um 13:17:16 Uhr

Ich nehme die Bolzen Funde von Aslan mal zum Anlaß, euch meine bisherige Restaurationsart vorzustellen:

Es geht überwiegend um mittelalterliche KleinFunde,  wie Pfeilspitzen, Schlüssel, Sporne, Messer, Lanzen, Werkzeuge und ähnliches...
Wenn ihr meine Arbeitsweise übernehmen möchtet, hier meine Empfehlungen zu Arbeitsgeräten, Chemikalien und sonstiger Ausrüstung.

Der Kostenaufwand beträgt insgesamt einige 100€, aber wenn man eine Sache professionell durchführen will, dann sollte man schon einiges investieren! Ich habe meine Restaurationswerkstatt mit der Veräußerung von einigen Funden finanziert.

Fangen wir mit der effektiven Entsalzung an: Ich verwende ein bewegtes, beheiztes und selbstgebautes 10l. E-Bad mit Zu- und Ablauf, gebaut aus Aquarien-Technik, einem Edelstahltopf mit Aqrylglasdeckel (den habe ich mir anfertigen lassen) mit Löchern für die Leitungen und die Heizung versehen und einer Ausfräsung für eine gute Abdichtung mit dem Topfrand. Das Bad läuft mit einer Aquarienpumpe fast geräuschlos.
Die Funde habe ich auf einen kleinen, runden Gitter-Rost mit 3 "Beinen" aus Rostfreiem Edelstahl im Bad abgelegt. Nach 3 Monaten etwa sind meine Gegenstände entsalzt.
Wenn ich noch kein E-Bad hätte, würde ich mir einen beheizbaren (ab 20 Grad einstellbaren) Magnetrührer kaufen und mehrere Rührkörper (Fische). Dann braucht man nur noch einen Glastopf für 3-5L. Der (nicht magnetische) Gitterrost kommt in den Topf, darauf die Fundstücke. Natriumhydroxydlösung mit Ph Wert 12,5 einfüllen, Heizung auf 36 Grad einstellen, die Drehzahl so wählen, das ein sichtbarer Strudel ensteht und Deckel drauf. Alle paar Tage Fund drehen und Lösung ca.alle 14 Tage wechseln.
Nach 3-4 Monaten die Gegenstände aus der Lösung nehmen und noch solange in dest. Wasser einlegen, bis dieses einen Ph Wert von 7 hat.

Chemikalien: Araldit 2020-Komlettpackung, Wachse: Paraloid B72, Cosmoloid, Toluol (giftig!!!) , als Füllstoff Talcum oder Aerosil
Geräte: Lupenleuchte oder/und Mikroskop, Bohrschleifer Proxxon IBS/E, Rotlicht Lampen, kleines Metallgehäuse mit Deckel, z.B. Gewürz-Kräuterstreudose...Absaugung. Proxxon-Bandschleifer BS/E, Schl3ifbänder 80-er, 120-er und 180-er.
Eine passende Absaugungsanlage ist der Proxxon Compass Werkstattsauger CW-matic. Schraubstock.

Werkzeuge für den Bohrschleifer: Edelkorund Schleifstifte und -Scheiben, Frässtifte, Diamantierte Schleifstifte u.a. Für die Tüllenbearbeitung: Schleifkappen Korn 80 u. 150, Edelstahlbürsten in Pinsel- und Radform, Schleifbürsten aus Nylonvlies.

Nach dem Entsalzungsvorgang Funde im Ofen trocknen, bei 220 Grad etwa 20-30 min.
Sollten die Bolzen beim Entsalzen schon bis aufs blanke Metall entrostet worden sein, was natürlich scheiße aussieht, hier ein Trick, um TüllenBolzen wieder "alt" aussehen zu lassen: Etwa 20 min. In Leinöl kochen, mit Zange herausnehmen, Bleistift in die Tülle schieben und mit Feuerzeug das an der Bolzen Oberfläche noch anhaften Öl abbrennen, Bolzen dabei drehen.
Bolzen wieder ins Öl tunken und Vorgang wiederholen, bis Oberfläche zufriedenstellend aussieht. Konservierung damit abgeschlossen.

Die anderen Bolzen im noch warmen Zustand werden mit Araldit 2020 getränkt, dazu nimmt man einen kleinen Modellbau-Pinsel.
Aus einem Fischgriller baut man sich vorher Ablage für die Bolzen.
Da wo an den Bolzen viel Material wegkorrodiert ist, sollte das Araldit mit Talkum oder Aerosil eingedeckt werden, mit Rost Staub eingefärbt werden.  Ausreichend viel Auftragen mit Schaschlikspieß o.ä. Dann für mehrere Stunden unter Rotlicht aushärten lassen.

Dann können die Schleifarbeiten beginnen. Es reicht, wenn im letzten Schleifgang Papier mit 400-er Körnung verwendet wird. Am ende Blase ich den Gegenstand mit Preßluftflasche aus meiner Tauchflasche mittels Preßluftpistole ab (die wird an den Inflatorschlauch angeschlossen).

Okay, nun geht's ans konservieren mit Parawachs.5% Paraloid B72 werden mit 2% Cosmoloid gemischt. Tip: Wachse vorher in die Tiefkühltruhe, dann mit alter Kaffeemühle mahlen. Wachs Mischung in das kleine Metallgehäuse geben und erhitzen, bis Wachs geschmolzen. Jetzt müsst ihr euch schützen, Toluolanwendung! Atemschutzmaske mit Gasfilter aufsetzen, Gummihandschuhe anziehen!

Toluol in daß flüssige Wachs geben und gut durchrühren, bis es dünnflüssig ist, je wärmer das Wachs bei der Verarbeitung ist, umso besser...wieder Bleistift in die Tülle und Wachs mit Modellbau-Pinsel gleichmäßig auf die nochmal vorher erwärmten Bolzen auftragen. Wenn man pro Bolzen ein Bleistift zum Halten verwendet, kann man diese in ein zuvor gefertigtes Lochbrett oder so hineinstellen und so das Wachs fest werden lassen. Das kann auch unter den Rotlicht Lampen erfolgen....Oder die Funde werden auf das selbstgebauten Ablagegitter gelegt....

Ich kann diesmal leider keine Bilder Posten, weil mein E-Bad gerade im Einsatz ist und ich sonst keine weiteren Bilder habe, außer denen, die ihr ja schon bei der Fundpräsentation schon gesehen habt.
Eure Fragen beantworte ich gerne, auch individuelle per PN.

Hoffe, ich habe euch jetzt eine gute Anleitung geben können, wie ihr zukünftig eure seltenen und kostbaren Funde behandeln müsst, um sehr lange etwas von ihnen zu haben und auch meine Tips und Vorschläge zu verbessern!

Viele Grüße,

Michael 





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#1
09. Juni 2016, um 15:23:49 Uhr

Hallo Midas,

vielen Dank für die ausführliche Beschreibung!
Eine Frage zu deinem Paraloid-Wachsgemisch: Kann man anstatt Toluol auch Xylol verwenden? Habe in der Vergangenheit schon einige Lösungsmittel für ein solches Acrylharz-Wachsgemisch ausprobiert, aber eine homogene Mischung ist dabei nie rausgekommen. Ich vermute mal, dass diese Lösungsmittel einfach nicht polar genug waren...

 Winken

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(versteckt)Themen Schreiber
#2
10. Juni 2016, um 10:05:59 Uhr

Hallo, Ratzfatz,

also mit xylol habe ich keine Erfahrung. Toluol hat die größte Eindringtiefe ins Metall, als Beispielsweise Aceton..

Ich habe das Toluol bei der Internet-Apotheke Apatina bestellt, die ist glaub ich, in Österreich beheimatet. Man muß bei der Bestellung eine sogenannte Endverbleibserklärung ausfüllen und an die Versenderadresse schicken. Es reicht, wenn angegeben wird, das das Toluol als Wachs Lösungsmittel für die Restauration und Konservierung von archäologischen Bodenfunden aus Metall verwendet wird...

Viele Grüße,

Michael

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#3
10. Juni 2016, um 12:13:33 Uhr

Ab einer gewissen Menge, wird die Bestellerei bestimmt lustig, so kurz vor der EM Teufel

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#4
10. Juni 2016, um 13:24:12 Uhr

Geschrieben von Zitat von Bolzenkopf
Ab einer gewissen Menge, wird die Bestellerei bestimmt lustig, so kurz vor der EM Teufel
Wenn man Schwefel- und Salpetersäure mitbestellt, kommt sicher netter Besuch vorbei. Polizei

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#5
11. Juni 2016, um 15:41:32 Uhr

Geschrieben von Zitat von Ratzfatz
Eine Frage zu deinem Paraloid-Wachsgemisch: Kann man anstatt Toluol auch Xylol verwenden? Habe in der Vergangenheit schon einige Lösungsmittel für ein solches Acrylharz-Wachsgemisch ausprobiert, aber eine homogene Mischung ist dabei nie rausgekommen. Ich vermute mal, dass diese Lösungsmittel einfach nicht polar genug waren...
Mein Paraloid ist in Ethylacetat gelöst. Toluol wäre mir zu gefährlich - da muss ich an die Zwei denken - "lass uns kochen!" Zwinkernd

Viele Grüße,
Günter

Hinzugefügt 11. Juni 2016, um 15:48:37 Uhr:

Geschrieben von Zitat von Peter
Wenn man Schwefel- und Salpetersäure mitbestellt, kommt sicher netter Besuch vorbei.
Am besten dann den passenden AC/DC-Song dazu auflegen! Headbangen


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« Letzte Änderung: 11. Juni 2016, um 15:48:37 Uhr von (versteckt), Grund: Doppel-Beitrag zusammengefasst »

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(versteckt)
#6
11. Juni 2016, um 16:33:34 Uhr

Hi Günter,

mein Paraloid habe ich auch in Ethylacetat. Aber eine Mischung aus Paraloid und Cosmoloid bekomme ich damit auch nicht gelöst...


 Winken

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(versteckt)
#7
11. Juni 2016, um 16:41:32 Uhr

Geschrieben von Zitat von Ratzfatz
mein Paraloid habe ich auch in Ethylacetat. Aber eine Mischung aus Paraloid und Cosmoloid bekomme ich damit auch nicht gelöst...
OK. Womit ich dann zur Frage käme: braucht man das Cosmoloid? Ich habe das bisher immer als Alternative zum Paraloid gesehen und würde das wohl auch als Schmelzbad eisetzen (aber da bin ich mit Paraffin eigentlich immer noch recht zufrieden).

Viele Grüße,
Günter

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#8
11. Juni 2016, um 19:18:28 Uhr

Geschrieben von Zitat von Drusus
OK. Womit ich dann zur Frage käme: braucht man das Cosmoloid?

Brauchen tut man's wahrscheinlich nicht. Ich wollte mal testen ob ich bei Bronze durch eine solche Mischung die farbliche Angleichung durch Wachs mit dem Schutz des Paraloids verbinden kann. Normalerweise wird durch Paraloid die Farbe der Patina ja nicht verändert, und ein Objekt mit fleckiger, ungleichmäßiger Patina sieht mit Paraffin einfach gleichmäßiger aus.


 Winken


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(versteckt)
#9
11. Juni 2016, um 19:22:26 Uhr

Geschrieben von Zitat von Ratzfatz
Brauchen tut man's wahrscheinlich nicht. Ich wollte mal testen ob ich bei Bronze durch eine solche Mischung die farbliche Angleichung durch Wachs mit dem Schutz des Paraloids verbinden kann. Normalerweise wird durch Paraloid die Farbe der Patina ja nicht verändert, und ein Objekt mit fleckiger, ungleichmäßiger Patina sieht mit Paraffin einfach gleichmäßiger aus.
Ja, das ist nachvollziehbar.

Mal eine naive Frage: Spricht was dagegen, Paraloid auf ein zuvor mit Wachs behandeltes Objekt aufzutragen?

Viele Grüße,
Günter

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(versteckt)
#10
12. Juni 2016, um 00:41:36 Uhr

Geschrieben von Zitat von Drusus
Ja, das ist nachvollziehbar.

Mal eine naive Frage: Spricht was dagegen, Paraloid auf ein zuvor mit Wachs behandeltes Objekt aufzutragen?

Viele Grüße,
Günter

Ja... Nämlich dass das Paraloid nicht richtig hält und man ne ungleichmäßige Schmiere auf dem Objekt verteilt... Zumindest meinen Versuchen nach zu urteilen..  Traurig



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(versteckt)
#11
12. Juni 2016, um 13:19:29 Uhr

Geschrieben von Zitat von Ratzfatz
Zumindest meinen Versuchen nach zu urteilen.
OK, das ist ein Argument. Ich habe das noch nie ausprobiert, da ich bisher noch nicht den Drang hatte, das zu kombinieren.

Aber wenn diese beiden Stoffe sich so ungerne verbinden, frage ich mich, ob eine gelöste Mischung von denen wirklich von Dauer ist?

Viele Grüße,
Günter

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