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 Langzeitversuch : 4 Jahre - Zwischenstand

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Avatar  Langzeitversuch : 4 Jahre - Zwischenstand  (Gelesen 1657 mal)
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(versteckt)Themen Schreiber
#0
17. Januar 2016, um 23:01:22 Uhr

Hallo Zusammen,

weil wir es in einem anderen Tread von Eisen hatten, teile ich mal die Zwischenergebnisse meines Langzeitversuches mit euch.
Es geht um Reinigung und Konservierung von Alteisen mittels verschiedener Methoden und Verfahren in Hinblick auf Zeit und Aufwand der Anwendungen und der Dauer der Zustandserhaltung.

Zu den Versuchsobjekten:
Es handelt sich dabei um 5 Bolzeneisen aus sehr saurem Milieu, wohl dem schlechtesten Boden den man sich für Alteisen denken kann  Grinsend Fichten, kein Kalkboden, hohes maß an saurem Regen, relativ feuchter Boden.
Auf den ersten Bildern sieht man die Delinquenten im Fundzustand.
Ich habe die einzelnen Bolzeneisen zur Übersichtlichkeit mit 1 bis 5 nummeriert.

Wie wurde generell vorgegangen:
Ich habe darauf geachtet, dass die Funde nicht austrocknen und  zur Reinigung alles erst einmal in heißes Seifenwasser für  3 tage eingelegt.
Danach den groben Dreck entfernt und die großen Rostblasen und Anhaftungen abgeschliffen. Dabei immer alles feucht gehalten.

Im Einzelnen:
Nr. 1:

wurde auf altbekannte Art und weise in Destiwasser gepackt und bei häufigen Wasserwechsel immer schön abgebürstet.
Nach 18 Monaten entnommen und im Backofen gut durchgetrocknet, anschließend mit Paraffin und Paraloid konserviert.
Nr. 2:
wurde direkt nach der groben Reinigung (der Zustand entspricht auch den anderen nach der Grobreinigung) mit allen Rostanhaftungen mit dem Brenner rot ausgeglüht und dann mit verschiedenen Paraloidbädern und einer Paraloiddeckschicht konseviert.
Nr. 3:
wurde bis auf die Ferritschicht oder das nackte Eisen unter den Rostblasen freigelegt, nochmals abgewaschen mit heißem Wasser und anschließend für 2 Tage in Aceton eingelegt. Danach in der sonne 2 tage getrocknet und anschließend mit dem Brenner rot ausgeglüht und wie Nr. 2 konserviert.
Nr. 4:
wurde bis auf die Ferritschicht abgetragen. In der Tülle eine kleine Stelle bis auf das Eisen freigelegt und ein Kontakt (Kupferdraht) angebracht.
Anschließend für 2h durchgängig im Elektrolysebecken behandelt. Danach weiter unter 30 minütiger Kontrolle der Oberflächenkonsistenz (Bröseln der Ferritschicht) nochmals für 3h "gelyst".
Nach der Entnahme mit dem Skalpell nochmals vorsichtig nachgearbeitet und für 3 Monate in Aceton eingelagert. Dann für 2 tage in einer Paraloidlösung und nach dem Trocknen mit einer Paraloiddeckschicht versiegelt.
Nr. 5:
wurde bis auf die Ferritschicht abgetragen und ohne weiteres seinem Schicksal überlassen.

Lagerung:
Alle 5 Objekte wurden getrennt voneinander im gleichen Großbehältnis ohne zusätzliche Luftentfeuchtung(durch Granulat o.ä.) in normal temperierten Räumlichkeiten gelagert und nur selten bewegt.

Zustand nach 4 Jahren (gerechnet ab der Grobreinigung):
Nr. 1: weißt seit 2 Jahren kleine Rostpunkte auf, die aber trocken sind, nicht nachnässen und sich auch nicht vergrößern. Ein größerer Abplatzer, welcher aber auch derzeit noch keinen Rost ansetzt. Rest stabil nicht bröcklig.

Nr. 2: keine Veränderung

Nr. 3: keine Veränderung

Nr. 4: keine Veränderung

Nr. 5: ist stark zerfallen. Größere teile haben sich ohne jegliches Zutun abgesprengt und das noch vorhandene kernmaterial freigegeben. Dieses ist angerostet. derzeit aber auch trocken und seit ca. 2 Jahren unverändert (optisch)

Ja, das ist der Zwischenstand, wenn sich was tut werde ich es hier in Wort und Bild kundtun.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, das es mir dabei nicht unbedingt um Ästhetik geht, sondern eher darum welche Methode den größtmöglichen Langzeiterfolg verspricht.
Natrürlich ißt ja das Auge mit und Nr. 4 ist der optisch ansprechendste, aber das kann sich ja noch ändern (obwohl ich noch gleichbehandelte Sachen habe, die schon länger liegen und nicht nachrosten o.ä.), weil ich der Meinung bin, dass der Boden hier der ausschlaggebende Punkt ist.
Wird sich weisen...

Grüße Winken



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« Letzte Änderung: 17. Januar 2016, um 23:04:49 Uhr von (versteckt) »

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(versteckt)
#1
17. Januar 2016, um 23:27:09 Uhr

Auf alle Fälle ist das schon mal ein interessantes Experiment und herzlichen Dank, dass Du es hier vorstellst.

Allerdings fürchte ich, dass die Ausgangslage nicht so gleich war, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Jeder Bolzen ist ein Individuum, besteht aus seinem eigenen Schmiedeeisen und wurde wahrscheinlich auch von verschiedenen Schmieden hergestellt. Auch lag nicht jeder gleich im Boden. An der einen Stelle mag es feuchter gewesen sein als an einer anderen. Evtl. war bei dem ein oder anderen Bolzen sogar eine tannin-spendende Pflanze in der Nähe.

Rizzo, Wühler und ich haben ein Gebiet (auch eher schlechter Fichtenwaldboden), wo wir auf recht kleiner Fläche sehr viele Kartätschkugeln fanden. Und zwar allesamt österreichische 3- und 6-Löther, die am selben Tag verschossen wurden. Und obwohl ich diese Kugeln steht gleich reinigte, sehen die Endergebnisse ganz unterschiedlich aus und reichen von sehr schön bis stark angeschlagen.

Viele Grüße,
Günter

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(versteckt)
#2
17. Januar 2016, um 23:40:46 Uhr



Das ist des Pudels Kern bei der Eisenrestauration - zu viele Variable, um eine allgemein gültige Aussage treffen zu können.  Das Experiment
von bolzenkopf ist hoch interessant und dir gilt auch mein Dank für die Mühe, die du dir gemacht hast und den umfangreichen Beitrag.
Was mich betrifft: ich mache keine Wissenschaft mehr aus dem Eisen, sondern lyse alles, dremle anschließend, erhitze bis fast zur
Glut und dann kommt Paraffin drauf. Die Ergebnisse sind wie von dir beschrieben, Günter. Manche Stücke rosten nach, ganz unterschiedlich,
was die Intensität betrifft, andere bleiben sauber. Boden und Eisenqualität und die Arbeit des Schmieds sind die Faktoren, so wie ich es
beobachte, weniger die Dauer, wie lange das Eisen im Boden liegt.

vg

karuna Winken

Offline
(versteckt)Themen Schreiber
#3
17. Januar 2016, um 23:44:27 Uhr

Die Fläche war 5mx5m, der Bewuchs eher einheitlich Gras, baumfrei auf 8m radial. Tiefe alle um die 10cm.
Das es absolut gleich ist, wird wohl nie so sein, aber es kommt dem schon recht nahe in diesem fall denk ich.
Nun will ich ja auch nicht so kleinlich sein. Ich sag mal salopp, Kalkboden ist Kalkboden - ob da fichten oder Buchen drauf stehen, reist es jetzt nicht raus. Ich denk mit Eisen im Kalkboden ist das schon ein geringerer Grad an Versäuerung, als im Fichtenhumus mit Granitunterbau.  

Grüße

Offline
(versteckt)
#4
17. Januar 2016, um 23:52:36 Uhr

Geschrieben von Zitat von Bolzenkopf
Die Fläche war 5mx5m, der Bewuchs eher einheitlich Gras, baumfrei auf 8m radial. Tiefe alle um die 10cm.
Das es absolut gleich ist, wird wohl nie so sein, aber es kommt dem schon recht nahe in diesem fall denk ich.
Nun will ich ja auch nicht so kleinlich sein. Ich sag mal salopp, Kalkboden ist Kalkboden - ob da fichten oder Buchen drauf stehen, reist es jetzt nicht raus. Ich denk mit Eisen im Kalkboden ist das schon ein geringerer Grad an Versäuerung, als im Fichtenhumus mit Granitunterbau.  

Grüße


Das ist ja, was der Günter meinte. Selbst wenn das Ausgangsmaterial scheinbar recht homogen zu sein scheint,
können alle paar Meter im Boden verschiedene Verhältnisse geherrscht haben. Das ist Spekulation, aber irgend-
einen Grund für das unterschiedliche Verhalten muss es ja geben. Denn bis auf Methode 5 würde ich bei gutem
Ausgangsmaterial auch gute Ergebnisse erwarten.

vg

karuna Smiley

Offline
(versteckt)
#5
18. Januar 2016, um 00:31:43 Uhr

Geschrieben von Zitat von karuna
zu viele Variable, um eine allgemein gültige Aussage treffen zu können.
So ist es. Manchmal scheint auch der Rost selbst schützend zu wirken. Kanonenkugeln aus Kalkboden haben meist eine dünne aber sehr hartnäckige Schicht aus Rost und Kalkablagerungen. Darunter ist das Eisen i.d.R. hervorragend erhalten. Aber dann gibt es auch noch die "Überaschungseier". So nenne ich Kartätsch- und Vollkugeln, die von einer extrem dicken aber luftig porösen Rostschicht umgeben sind. Die ist teilweise so ausgebildet, dass man die eingeschlossene Kugeln nur noch erahnen kann. Aber sie löst sich mit einem Hammer recht leicht ab. Und darunter ist dann alles möglich von der zerfressenen Kugel mit tiefen Kratern bis zur überraschend schön erhaltenen Kugel, bei der man sich fragt, woraus der Rost eigentlich entstanden ist.

Viele Grüße,
Günter

Offline
(versteckt)
#6
18. Januar 2016, um 00:49:26 Uhr

Geschrieben von Zitat von Drusus
So ist es. Manchmal scheint auch der Rost selbst schützend zu wirken. Kanonenkugeln aus Kalkboden haben meist eine dünne aber sehr hartnäckige Schicht aus Rost und Kalkablagerungen. Darunter ist das Eisen i.d.R. hervorragend erhalten. Aber dann gibt es auch noch die "Überaschungseier". So nenne ich Kartätsch- und Vollkugeln, die von einer extrem dicken aber luftig porösen Rostschicht umgeben sind. Die ist teilweise so ausgebildet, dass man die eingeschlossene Kugeln nur noch erahnen kann. Aber sie löst sich mit einem Hammer recht leicht ab. Und darunter ist dann alles möglich von der zerfressenen Kugel mit tiefen Kratern bis zur überraschend schön erhaltenen Kugel, bei der man sich fragt, woraus der Rost eigentlich entstanden ist.

Viele Grüße,
Günter


Das kenne ich auch von Eisenfunden - Messern meistens, dass die Kumpels das Mitleid aussprechen für den
Zustand und dann kommt doch noch was Brauchbares raus.
Das mit der dünnen, hartnäckigen Rostschicht dürfte Magnetit sein. Ein paar Eisenfunde habe ich mit so einer
Schicht, die ich nicht restauriere und nur beobachte, ob sich der Zustand verschlechtert - Fehlanzeige. Die
sind sozusagen "natürlich" konserviert. Da sind richtig alte Sachen dabei und sie sind stabil.

vg

karuna Smiley

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(versteckt)
#7
18. Januar 2016, um 09:31:10 Uhr

Ich sage mal "Danke Bolzenkopf" diese Mühe die du dir gegeben hast ist schon was wert... Auch wenn ich meinen Vorrednern recht geben muss was die Unterschiedlichen Ausgangswerkstoffe angeht und auch dem ev. leicht unterschiedlichen Boden... So ist dein versuch doch aussage kräftig... Wenn man nur die 5 ansieht so ist klar bei Eisen muss mehr passieren...


Gruß SpAß'13

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#8
18. Januar 2016, um 11:21:16 Uhr

In dem Zusammenhang sei noch folgendes erwähnt:

In Deutschland wurden erst Mitte das 19 Jhd. ausgedehnte Nadelwaldkulturen angelegt. Vorher war der Nadelwald so selten, dass sich z.B. nur die Reichsten einen Weihnachtsbaum leisten konnten, die anderen mussten sich mit einem einzelnen Zweig begnügen.
Das saure Milieu im Boden das ein Nadelwald erzeugt und unseren Funden so schadet wirkt also gerade mal 150 Jahre auf die Funde ein und zeigt schon vernichtenden Wirkung.
Ergo gibt es keinen "Tresor Boden" wie immer wieder behauptet wird, nicht mal im Wald.

Das Experiment vom Bolzenkopf ist sehr interessant.

Noch eine Anmerkung dazu:
Die Trockenzeiten eines vernünftig entrosteten Fundes sehe ich als schneller und unkritischer an, denn Metal hat eine äußerst bescheidene Speicherfähigkeit von Wasser und in Rissen vorhandenes wird durch das Einkochen in Wachs oder das behandeln mit Rostumwandler (meine Methode) sowieso verdrängt.
Wer also den Backofen der Frau nicht benutzen kann, es reicht das Ding auf die Heizung zu legen.

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