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 In Memoriam "Quellekatalog"

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Avatar  In Memoriam "Quellekatalog"  (Gelesen 1587 mal) 0
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(versteckt)Themen Schreiber
#0
21. Oktober 2009, um 22:29:41 Uhr

Ihr habt es gestern alle gehört oder gelesen: Quelle ist insolvent und wird abgewickelt.....ich möchte mit diesem Beitrag an einen alten, vielen vertrauten Freund erinnern - Unsere Internet gewohnten Kinder können sich gar nicht vorstellen was er uns bedeutete und auch heute noch bedeutet:

Der Quellekatalog

Die ersten Berührungspunkte hatte ich zu Beginn des Wirtschaftswunders, gerade 5 Jahre geworden verteilte meine Kindergärtnerin einen Quellekatalog an uns Kinder mit dem Auftrag die hübschen, bunten und tlw. schwarz-weißen Bilder "auszuprickeln" ( dh. mit einer kleinen Stecknadel den Umrissen entlang zu stechen um so das Bild aus der Seite herauszulösen).

Mit viel Inbrunst und Wonne widmeten wir uns tagelang dieser Tätigkeit (heute unvorstellbar, was würde passieren wenn sich heute eines der Kinder an der Nadel sticht oder die sich Kinder im Streit sich mit den Nadeln verletzen...welche haftpflichtrechlichen Konsequenzen hätte das für den Kindergarten....abgesehen davon: sind unsere Kinder heute noch so konzentrationsfähig sich mit einer solchen Tätikeit länger als 10 Minuten zu vergnügen?). Wir jedenfall prickelten als gäbe es nichts anderes, und schulten unsere feinmotorischen Sinne. Ganz nebenbei lernten wir die Namen der Gegenstände der neuen Wirtschaftswunderwelt: Sessel, Kühlschrank, Radio und als Superluxus der Fernsehapparat....

Schnell fand ich heraus, das wir zuhause auch einen so schönen Katalog hatten und obwohl meine Mutter die Versuche die Seiten herauszulösen im Keim erstickte, saß ich stundenlang davor und studierte die bunten fazinierenden Bilder der Wirtschaftwunderwelt.....

Ich lernte das man diese Sachen die hier zu sehen sind auch kaufen kann und das die Spielsachen die damals immer im Herbst/Winterkatalog ganze 3 Seiten des Kataloges belegten beim Weihnachtsmann bestellen kann....

Da wir auf dem Land wohnten war der Versandhandel die ideale Alternative zum langen Weg in die nächste Kreisstadt und der bunte Katalog brachte uns die weite immer vielfältiger werdende Konsumwelt direkt ins Haus.

Hatte der Herbst/Winterkatalog 1957/58 noch 149 Seiten so umfasste der Quellekatalog im Jahr 1978 schon 918 Seiten.

Das Sortiment war breitgefächert und Umfasste alle Gegenstände des täglichen Lebens bis hin zu purem Luxus der sich 1957 im 3-D Musikschank von Simonetta und dem "Universum Fehrnsehgerät "Luxus" mit der modernsten 43 cm Bildröhre, Klarzeichner und metallhinterlegtem Bildschirm" für 689 DM (dem 2-fachen Monatgehalt eines Durchschnittsverdieners) manifestierte. Mehr Informationen dazu gab es übrigens nicht und der Käufer war voller Vertrauen auf die Qualität der angebotenen Ware.

Die überall präsenten Quelleagenturen und vorallem die angebotenen Teilzahlungsmöglichkeiten heizten das Geschäft an...Peter Zwegat war noch nicht erfunden und die Menschen konsumierten als gäbe es morgen nichts mehr.

Meine Eltern waren da etwas anders. Sie suchten gemeinsam, sorgfälltig die gewünschten Gegenstände nach Bedarf und Geldbeutel aus und Vater füllte den Bestellzettel mit seiner schönsten Schrift aus (er war Vermessungstechniker und hatte eine wirklich schöne Schrift, etwas was ich nicht von ihm geerbt habe). Ich hatt nur ein Vorschlags, kein Mitbestimmungsrecht und erfuhr bald das man nur das bestellen sollte was man auch bezahlen kann. Teilzahlung und Konsumschulden waren nicht das Ding meiner Eltern und ich habe bis heute diese gute Einstellung übernommen.

Dann fieberten wir auf den Tag an dem der Postbote (ja das hat damals ein beamteter Postbote gebracht - DHL und Hermes waren noch nicht erfunden) das lang ersehnte blaue Paket mit dem Quellezeichen brachte. Es wurde natürlich nicht sofort ausgepackt sondern Mutter legte es zur Seite und wartete bis Vater von der Arbeit nach Hause kam und wir Abendbrot gegessen hatten. Dann erst ging es ans Auspacken, natürlich Vaters Vorrecht und er zelebrierte dies. Die einzelnen Sachen wurden nacheinander begutachtet, anprobiert und meistens für gut befunden. Diejenigen Sachen die nicht passten oder nicht den Vorstellungen entsprachen konnten zurückgegeben werden was aber wie gesagt eigentlich selten geschah.Irgendwie schafften es meine Eltern auch immer etwas für uns Kinder zu bestellen - keine großen Dinge ( meistens was süßes z.B. Blockschokolade), aber es gab immer ein großes "Hallo" wenn wir die Überraschungen erhielten.

Unterm Weihnachtbaum lagen dann auch die Spielsachen die mein Bruder und ich uns aus dem Quellekatalog gewünscht hatten. Teilweise noch im blauen Karton...aber natürlich mit Schleife und Geschenkpapier.

Die Zeit verging, ich wurde älter und irgendwann pubertierte ich...auch hierbei half mir der Quellekatalog zu verstehen was die Frauen "so drunter tragen" und ich bemerkte das im Laufe der Jahre auch diese Bilder sich wandelten...

Aber nicht nur auf dem Gebiet der sexuellen Befreiung half mir der Quellekatalog....mit 15 begann ich auf ein Mofa zu sparen....meine Motivation war das Bild im Quellekatalog auf dem ein Junge in meinem Alter stolz ein Mofa hielt. Das kaufte ich mir nach ca. 1 Jahr harten sparens. Mein erstes Mofa war eine Mars Mofa Luxus 25, 1 Gang Vollautomatik mit Lamellenkupplung Motor 1,6 PS von Solo ("spurtstark und bergfreudig") in der Farbe orange natürlich von Quelle. Damals allerdings in dem in der Kreisstadt neu eröffneten Quellekaufhaus.

Mein erster "programierbarer" Taschenrechner fürs Gymnasium: von Quelle mit 55 Funktionen aufladbar (!) von PRIVILEG der Hausmarke von Quelle zum Sonderpreis von nur 198 DM....

Die Jahre verflogen und irgendwann heiratet ich Ende der 70iger Jahre und richtete meinen ersten Hausstand ein...natürlich wieder aus dem Quellekatalog ein Hifi Stereoturm mit Plattenspieler, Verstärker, Radio und Kassettenrecorder für 998 DM. Die Erläuterungen im Katalog waren schon wesentlich ausführlicher und umfangreicher als 1957....

Dann die knallbunten Lampen die man heute auf Flohmärkten manchmal noch findet und die von Anhängern der 70iger Jahre-Bewegung gesucht werden. Schlaghosen und Plateauschuhe...mein erstes "Telespiel": Universum TV-Multispiel: Hockey, Tennis, Squash, Pelota....irgendwie alles dasselbe ein Punkt bewegte sich über den Bildschirm und musste mit Hilfe von einem Schläger in der Richtung verändert werden....

Mein Traum, der sich aber zumindest damals nicht erfüllte, war ein Videoaufzeichnungsgerät: Philips VCR kostete schlappe 2898 DM ein Vermögen...alleine die Kassette für 60 Minuten von BASF 59 DM...

Mein persönlicher Hit aus dem Katalog von 1978: Preishit "Telefon-Cover". Ausführung "Samt" mit dekorativer Stickerei. keine Funktionsbehinderung, nicht genehmigungspflichtig" damit konnte dann das graue Standardtelefon der Post (ja die hatten damals noch das Telefonmonopol und es gab nur 3 Farben für das Wählscheibentelefon: grau, grün und orange...wir hatten orange) "verschönern".

In der Rückschau stelle ich jetzt fest das durch die inzwischen eingetretene Mobilisierung und dadurch das ich jetzt in der Kreisstadt wohnte meine Kaufentscheidungen immer weniger von dem Katalog beeinflusst wurden. In den 80iger Jahren noch der PRIVILEG-Wäschetrockner....und dann....nichts mehr. In diese Jahre fiel auch die große Krise der Versandhäuser die z.B. Neckermann nicht überlebte...

Eine kurze Blütezeit erlebte der Versandhandel nochmals mit dem Fall der Mauer 1989. Der Quellekatalog war vor der Wende ein in der DDR begehrter Artikel und gelangte er einmal über verschlungene Wege in den Osten Deutschlands so wurde er gehütet wie ein Schatz...auch die blauen Pakete waren dort bekannt. Zumindest verpackte Mutter die ein oder andere Warensendung in die DDR in die gebrauchten Quellekartons und die ein oder andere Lebensmittelspezialität aus dem Hause Quelle war auch dabei.

Aber der Boom nach der Wende war nur ein Strohfeuer, zu schnell eroberten neue Technologien den Markt.

Heute sind die Preisvergleich im Internet, die Bestellung bei Amazon und anderen Internethandelshäusern sowei der Einkauf im MediaMarkt und bei Saturn selbstverständlich. Quelle hat die Veränderung zu spät erkannt und nicht überlebt....was bleibt ist die Erinnerung und das Blättern in den alten Katalogen die ich schon vor einigen Jahren bei ebay erworben habe...Nostalgie pur. Schöne Stunden voller Erinnerung

Bye, bye Quellekatalog!

Gratian


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« Letzte Änderung: 22. Oktober 2009, um 21:14:50 Uhr von (versteckt) »

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(versteckt)Themen Schreiber
#1
21. Oktober 2009, um 22:32:26 Uhr

....


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(versteckt)
#2
21. Oktober 2009, um 22:33:24 Uhr

Hallo Werner,

ja, da geht ein Kapitel unwiederruflich zu Ende.

Man darf gespannt sein wie es Otto ergehenwird. Scheinbarschlägt man sich dort noch wackerer.

Grüsse,

Christian

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(versteckt)
#3
22. Oktober 2009, um 09:42:26 Uhr

Danke Gratian ! Wirklich sehr schön geschrieben auch wenns ein trauriger Anlass ist. Meine Quelle Erinnerungen gehen in den späten 70ern los, Katalog wälzen mit Oma  Grinsend Weihnachtsgeschenke aussuchen, etc etc...

Und dann natürlich die Besuche im Quelle Kaufhaus hier in Nürnberg  Smiley werd ich auch nicht vergessen. Schade drum, aber auch Traditionsfirmen kommen und gehen im Lauf der Zeit.

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