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 Die Wasserhöhle im Pulkaubach Ein Wassermann als Seelenhüter

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Avatar  Die Wasserhöhle im Pulkaubach Ein Wassermann als Seelenhüter  (Gelesen 788 mal) 0
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05. Februar 2010, um 06:59:26 Uhr

Die Wasserhöhle im Pulkaubach
Ein Wassermann als Seelenhüter

Gerade um Haugsdorf im schönsten Wein-Viertel sollen wir uns justament mit Wasser beschäftigen, mit Wasserhöhlen und Wassermännern? Doch, ja! Wo sonst, wenn nicht in einer Kulturregion, die wahrscheinlich bereits seit rund 30.000 Jahren besiedelt ist, finden wir eine solche Fülle an sagenhaften Botschaften unserer Ahnen, insbesondere aus jener Zeit, in welcher der Wein noch ein rechtes Luxusgut war und in erster Linie zu sakralen Zwecken verwendet wurde - um mit seiner Hilfe Dinge zu schauen, derer gewöhnlich Sterbliche sonst nie ansichtig werden.

Wenn uns die folgende Sage erzählt, daß ein Bauer aus Haugsdorf einst zu dem Pulkaubache ging, dann nehmen wir naheliegenderweise an, daß es ein (reicher) Wein-Bauer gewesen sein muss. Aus seinem Vorhaben schließen wir, dass ihm entweder nach einem langen Arbeitstag heiß gewesen oder infolge des Genusses der eigenen Schätze eine gewisse Hitze zu Kopfe gestiegen war.


Wein im Pulkautal

Jedenfalls wandte sich besagter Weinbauer eines schönen Abends zum Pulkaubache, um noch schnell justament da ein erfrischendes Bad zu nehmen, wo der Wassermann schon viele Opfer verlangt hatte. Ja, man/frau stelle sich vor, unser kreuzfideler Landmann glaubte an gar keinen Wassermann. Hast du nicht gesehen, entledigte er sich seiner Kleider und ging pudelnackt und sorglos in die Tiefe des Baches, wo leichter Platz zum Schwimmen war. Doch da geschah es: Nicht allein die Wassertemperatur ließ ihn im nächsten Moment erschauern, denn da fühlte er, daß ihn jemand beim Fuße nach unten zog. Er konnte nicht widerstehen und wurde immer weiter in die Tiefe gezogen.

Wie gut jedoch, dass der leichtsinnige Bauer unserer Sage offensichtlich zur Zeit unserer furchtlosen keltischen Ahnen lebte, denn die hatten bekanntlich keine Angst vor dem Tod – und das, wie wir gleich sehen bzw. hören werden, zurecht! Der gute Mann wurde nämlich soweit gezogen, bis er durch ein Loch gelangte, das sich dann wieder schloss und so auch vorerst die Gefahr für ihn bannte, eventuell in Wasser ertrinken zu müssen.

Als er nach dem ersten Schrecken zur Besinnung kam, sah er sich in einem Zimmer, dessen Boden mit Fischaugen belegt war. Wir wollen an dieser Stelle nicht über Geschmack streiten, und sehen uns das Weitere mit den Augen des Bauern an. Neben sich erblickte er den Wassermann, der redete ihn an: „Fürchte dich nicht, Deine Zeit ist noch nicht gekommen, ich wollte dir nur deinen Unglauben nehmen!” Darauf führte er ihn in ein Nebenzimmer, wo lauter Töpfe stunden. Eine Anzahl Töpfe waren umgestülpt, andere stunden noch aufwärts.

Da er nun einmal schon hier war, fragte der Bauer den Wassermann, was das bedeute, und dieser sagte, die umgestülpten Töpfe enthalten die Seelen der Ertrunkenen, während die offenen dazu bestimmt seien, solche aufzunehmen. Da stach den fürwitzigen Haugsdorfer neuerlich der Hafer und neugierig fragte er, ob auch für ihn ein Topf da wäre. Da zeigte ihm der Wassermann einen offenstehenden in der letzten Reihe und bemerkte, sein Tod durch Ertrinken werde erst nach zehn Jahren erfolgen.

Dann setzten die beiden den Gang durch die Unterwelt fort, und der Wassermann öffnete einen Saal, wo Totengerippe an den Wänden lehnten. Die Wände des folgenden Zimmers waren mit Diamanten bedeckt, der Boden mit Gold und Silber. In der Mitte stand ein goldener Tisch, auf welchem allerart Fische schon gekocht und zubereitet lagen. Angesichts all dieser Herrlichkeiten erwies sich der Hausherr als nobler Gastgeber. Großzügig forderte der Wassermann den Bauern auf, sich Gold zu nehmen und von den Fischen zu essen.


Leckere Forelle, Lieblingsfisch der ostalpinen Kelten, Bild: Stiftsschank Kremsmünster

Welcher Wein zum Fisch gereicht wurde, ist leider nicht überliefert. Wir hoffen, daß es ein schöner, trocken ausgebauter Weißer aus der Gegend war, und kein nach römisch-barbarischer Art gesüßter und gestreckter vinum. Nach der reichen Bewirtung des vorwitzigen Gastes ermahnte ihn der Wassermann schließlich, daß es Zeit sei, auf die Oberwelt zurück zu kehren, indem der Morgen schon graue. Der Bauer ging reich beladen zurück und gelangte durch das Loch auf die Oberwelt. Und wie es der Wassermann vorausgesagt hatte: Nach zehn Jahren ertrank der Bauer im Pulkaubache.

Eingeladen in der „Anderswelt”  ^

Die Sage von der Wasserhöhle im Pulkaubach bringt uns buchstäblich an die Schwelle zur Anderswelt. Doch unser neugieriger Sagenheld erhält nur eine kleine Führung samt kleinem Bankett, ohne dafür sterben - wirklich über die Schwelle treten - zu müssen. Während für die Kelten am Alpenrand und in den Gebirgstälern der Zugang zur Anderswelt bei höhlenreichen Bergen wie z.B. dem sagenhaften Untersberg lag, scheinen unsere Ahnen im „flacheren” Land durch Flüsse und Teiche in dieselbe gefahren zu sein. Im „Fruchtwasser von Mutter Erde” fanden ihre Seelen aber nicht ein töpfchenwinziges Gefängnis, sondern Schutz und Geborgenheit wie die Goldmarie im Brunnen der Frau Holle. Ja die erwähnten Urnen, die als Bestattungsform der unmittelbaren Ahnen der Kelten einer ganzen prähistorischen Epoche den Namen gegeben haben, sind nicht nur Symbol des Brunnens der Frauen sondern auch Symbol für ihren Uterus, aus dem unsere Vorfahren wieder geboren werden wollten.

Vom unerschütterlichen Glauben der „gewöhnlich sterblichen” Kelten an ihre Unsterblichkeit bzw. die ihrer Seelen, an das unendliche Leben und den endlichen Tod, haben wir auf den Seiten dahinter an vielen Stellen erfahren. Nun sind wir an den Ufern des Pulkaubaches im Weinviertel einmal mehr damit konfrontiert, welche sagenhafte Macht sie im ewigen Kreislauf des Lebens dem Element Wasser zusprachen, das aus dem Schoße der Mutter Erde quellend für sie die unerschöpfliche Quelle dieses Lebens war.

Aus vielen irischen Sagen kennen wir die erfolgreiche Wiederbelebung Verstorbener in Quellen und Kesseln der Wiedergeburt, von denen z.B. auch Heros Dagda einen besaß, dem wir z.B. beim „Wilden Mann auf dem Fischbrunnen” in Salzburg begegnen. Da verstehen wir auch den „Wassermann” vom Pulkaubache, der nichts anderes ist, als der zum Wassermann oder Nix verharmloste Heros der Dreifachen Wasser-, Fruchtbarkeits- und Todesgöttin, der für sie die Anderswelt verwaltet.

Dieser Heros hat in der Pulkaubach-Sage die Aufgabe, unserem Helden - gleich dem Priester eines Mysterienkultes – „den Unglauben zu nehmen”! Tatsächlich ähnelt der geführte „Rundgang durch die Unterwelt” der von Fachleuten als „Initiation” bezeichneten Einführung in einen Mythos, in diesem Falle in keltische Glaubensgrundsätze. Schon vor dem Christentum begannen solche „Einweihungen” durch Reinigungsriten, wie dem Untertauchen in Wasser, das später nicht zufällig auch die erste Form der christlichen „Taufe” war, bevor man daran ging bereits Neugeborene „einzuweihen”.

Nach der Reinigung durch das rituelle Untertauchen darf der Einzuweihende unserer Sage, unter der Führung eines „hohen Funktionärs”, einen Teil des „Inneren” des Kultes schauen. Zentrales Glaubensgut wird ihm insbesondere mit jenen „Töpfen” vorgeführt, die den, nach dem Vorbild der Natur in „Zyklen” denkenden, Kelten Symbole waren für die unerschöpfliche Quelle des Lebens, die Gebärmutter, den göttlichen Bauch von Mutter Erde, und als solcher am anderen Ende des Kreislaufs auch symbolischer Aufenthaltsort ihrer verstorbenen Seelen bis zur irdischen Wiedergeburt.

Anschließend folgt für unseren bäuerlichen Helden der „persönliche Bezug”, durch einen Orakelspruch über sein weiteres Schicksal (seine „Amtsperiode”), und dann – nach einem Gang durch die Ausstellung menschlicher Gerippe (körperlicher Reste) – die Führung ins Zentrum des Kultes. Wobei die Adaptierung der Sage durch spätere Autoren nicht zu übersehen ist. Vor der Christianisierung bestanden nämlich die kultisch verehrten unterirdischen „Schätze” aus jenen Reichtümern, die von dort Mutter Erde entsprangen: Fruchtbarkeit, Wachstum und unendliche Fülle. Dafür stand die Dreifache Muttergöttin und ihr Heros wachte darüber. (Vgl. Cernunnos, Dagda usw.)

Die Gier nach Reichtum in Form von Gold und Edelsteinen war kein keltischer Wesenszug. Sie war aber ganz wesentlicher Antrieb der römischen Kaiser, Senatoren und Feldherren, ihre „barbarischen” Nachbarn zu überrennen, und ihnen das – bei den Kelten fast ausschließlich kultisch verwendete – Gold und andere gleißende Schätze abzunehmen. (Cäsars „Gallischer Krieg” ist ein Musterbeispiel dafür!) Das ging sogar soweit, daß die siegreichen Römer im eroberten Keltenland jene Teiche versteigerten, die vorher Kultstätten waren, und daher voll geopferter Wertgegenstände sein mußten.

Doch zurück zur Schatzkammer unter dem Pulkaubach mit seiner reich gedeckten Tafel. Das darauf bereitete Festmahl zu Ehren der Fruchtbarkeit der Muttergöttin, ist ein reiches, ein der Üppigkeit der Göttin angemessenes Opfer-, ja eine Art Vermählungsmahl. Kaum verdeckt enthüllt sich bei genauerem Hinsehen auch die Anspielung auf den sexuellen Aspekt, der in den vorchristlichen Kulten mit der Verehrung der Fruchtbarkeit verbunden war. Die auf dem zentralen Tisch (Altar) gebotene Speise „allerart Fische” hat nichts mit dem christlichen Geheimsymbol für Jesus Christus zu tun. Im Gegenteil! Auf diesem Opfertisch sind die Fische noch uralte Symbole für Fruchtbarkeit, deren Genuss schon in vorchristlicher Zeit positive Auswirkungen auf sexuelles Verlangen und Potenz gehabt haben soll. Und der Verzehr bestimmter Fische - wie z.B. Forelle, Lachs und andere Salmoniden - schenkte auch geistige Kraft und Weisheit.

Derart mit der Muttergöttin „vermählt”, reich beschenkt und gestärkt kehrt der jetzt zu den „Eingeweihten” zählende Bauer, der rituell eingesetzte irdische Hüter von Fruchtbarkeit und Wachstum, wieder auf die „Oberwelt” zurück. Seine ihm zugeschriebenen Funktionen erinnern stark an jene – aus irischen Sagen gut bekannten – Aufgaben keltischer Kleinkönige (Sippenhäuptlinge), die quasi als „verlängerter Arm” der Muttergöttin von ihr bei der in einer rituellen Vermählung dargestellten „Inthronisation” autorisiert und mit wichtigen Aufgaben zum Wohle der Gemeinschaft ausgestattet wurden.

Zu den „heiligen” Aufgaben des Kleinkönigs, Sippenhäuptlings gehörte insbesondere die „stellvertretende” Verantwortung für die Fruchtbarkeit des Landes für den Zeitraum seiner Herrschaft, der hier im Gegensatz zum ursprünglichen, der Natur abgeschauten, Jahresrhythmus, immerhin bereits zehn Jahre beträgt. (Vgl. Die Quelle beim Kamplbrunnspitz) In der Nähe von Haugsdorf dürfte irgendwo an den Ufern des Pulkaubaches ein Kult-Areal bestanden haben, auf dem unsere keltischen Ahnen im nördlichen Weinviertel ihre Stammeskönige inthronisierten und dabei ähnliche Riten vollzogen, wie sie in der Sage beschrieben werden. An ihrem keltischen Kern ist in aller Nüchternheit nicht zu zweifeln.

Quellen:
+ Thomas Hofmann, Sagenhaftes Niederösterreich, Eine Spurensuche zwischen Mythos und Wahrheit, Wien 2000;
+ Carl Calliano, Niederösterreichischer Sagenschatz, Wien 1926 – 1936.

mfg.zenzi

qwelle die kelten.at

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#1
05. Februar 2010, um 13:54:31 Uhr

 Applaus Super,,


willi Winken Winken Winken

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