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 1866 - die Schlacht von Langensalza

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20. März 2012, um 01:01:04 Uhr

1866: Der Einmarsch der Preußen in Hannover und die Schlacht bei Langensalza

von Wolfgang Kampa


Nach dem Sieg über Napoléon hielten die europäischen Staatsoberhäupter den Wiener Kongress ab.
Die politische Karte Deutschlands wurde neu aufgeteilt.
Dabei profitierte Preußen mit dem Gewinn der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen am meisten.
Am 10. Dezember 1814 wurde das unter der Herrschaft der Franzosen aufgelöste Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, bzw. Kurhannover zum Königtum erhoben.
Das Königreich Hannover war jetzt ein souveräner Staat innerhalb des Deutschen Bundes.
Deutschland wurde mit dem Deutschen Bund zum Vielvölkerstaat.

Preußen war der größte und mächtigste der insgesamt 38 Staaten in Deutschland.
Allerdings klaffte zwischen seinen neuen Gebieten im Westen eine Lücke: das Königreich Hannover, das viertgrößte deutsche Land mit zwei Millionen Einwohnern.
Nach 1815 folgte eine lange Zeit des Friedens.
Als 1851 König Georg V. an die Macht kam, kühlte das Verhältnis zum großen Nachbarn merklich ab.
Georg, der blinde König, war im Gegensatz zu seinem Vater strikt gegen alles, was nach Demokratie und Liberalismus aussah.

1865 ging das Herzogtum Lauenburg an Preußen.
Jetzt war das Königreich Hannover an drei Seiten von Preußen umgeben.

Am 8. April 1866 schloss der kurz zuvor zum Grafen erhobene preußische Ministerpräsident Otto Leopold Graf von Bismarck-Schönhausen einen Geheimbund mit Italien - das war ein klarer Bruch mit dem Deutschen Bund.

Preußen war zum Krieg entschlossen.

Viele der deutschen Kleinstaaten fürchteten jetzt um ihre Souveränität und machten mobil. »Auch Hannover traf bescheidene Zurüstungen für seine Sicherheit«.
Preußen wertete das als Aggression und König Georg musste einlenken.
Bei einem Gebietsstreit um Holstein fühlte sich Preußen von Österreich übervorteilt und schickte seine Truppen am 7. Juni 1866 an die Ostsee.

Drei Tage später stellte Preußen den Antrag, Österreich aus dem Deutschen Bund auszuschließen – die so genannte kleindeutsche Lösung.

Österreich reagierte darauf am 14. Juni mit einem Gegen-Antrag an den deutschen Bund:
Das Bundesheer sollte gegen Preußen mobilisiert werden. Preußen wertete das als eine illegale Kriegserklärung und trat aus dem Deutschen Bund aus.

Dem Königreich Hannover wurde von Preußen nahegelegt, zu kapitulieren und einem Bündnis beizutreten.

Das war ein Ultimatum.

Noch konnte Georg einlenken und den Krieg von seinem Land fernhalten. Allerdings wären seine Truppen dann unter preußischen Befehl gestellt worden.

Eine Unterordnung kam für ihn auf keinen Fall in Frage:
»Wer mir den Oberbefehl über meine Truppen nimmt, der raubt mir meine Souveränität«.
Als Christ, Monarch und Welfe sah er sich außerstande, das Ultimatum anzunehmen. Er rief die Mobilmachung aus.
Dabei war ihm völlig klar, dass das kleine Königreich Hannover gegen den zehn Mal stärkeren Soldatenstaat nicht den Hauch einer Chance hatte:
Die hannoverschen Soldaten mussten aus dem ganzen Land einreisen, während die Preußen immer weiter vorrückten.
In der Eile kam es zu logistischen Problemen:
Man konnte die Soldaten nicht so schnell einkleiden, wie sie kamen. Andererseits wusste er, dass bereits bayrische Truppen zu seiner Verteidigung unterwegs waren.

Doch das größte Problem war die altertümliche Ausstattung der Hannoveraner: Vorderladergewehre und Kavallerie - doch dazu später.
Hannover hatte sogar einen Plan für den Verteidigungsfall, doch leider war er nur für das Gebiet um Stade ausgearbeitet worden.
Jetzt musste die Armee aber nach Süden in Richtung Göttingen ausweichen, um sich irgendwo weiter östlich mit den Bayern zu treffen.

In Hannover herrschte währenddessen hektische Betriebsamkeit:
Die Straßen waren voll mit Kutschen und Droschken der Offiziere, aus den Zeughäusern wurden Waffen und Munition ausgeladen und zum Bahnhof gebracht. Tausende Hannoveraner standen auf dem Bahnhofsplatz und schauten dem Abzug der Truppen zu.
»Das war kein Rückzug mehr, das war Flucht, übereilte, kopflose Flucht!«

Die hannoverschen Soldaten waren mit Ausrüstung, Pferden, Wagen und Kanonen auf der Bahnstrecke nach Göttingen.
Immer wieder kamen die Züge zum Halten, weil es nicht mehr vorwärts ging.
In den Dörfern rund um die Bahnstrecke wurden Lebensmittel und Unterkünfte requiriert.
Am 16. Juni trafen die Truppen in Göttingen ein. Danach stellte man den Zugverkehr ein - die »Wagen des ganzen Königreichs Hannover« standen in und um den Göttinger Bahnhof. Noch am Abend erklärte Preußen Österreich den Krieg.
Keine 24 Stunden später erreichte der preußische General von Falckenstein die Stadt Hannover. Die hannoversche Armee war mittlerweile komplett abgerückt und die Stadt wurde von den Preußen besetzt.
Der König tagte mit dem hannoverschen Armeestab im Hotel zur Krone in der Göttinger Prinzenstraße.
Die Brigadestäbe befanden sich in Göttingen und Umgebung.

Mittlerweile hatte »die hannoversche Armee eine numerische Stärke von schließlich ca. 20.000 Mann«.
Preußen war mit 14.000 Mann in Hannover eingerückt, von Nordosten kam das Korps des General Manteuffel mit 16.000 Mann.
Am 19. Juni marschierten die Preußen nach Süden und erreichten am Abend Nordstemmen und Hildesheim.
Am Tag darauf ging in Göttingen das Gerücht um, »der Preuße stände 2,5 Stunden weit von hier«.

Die Bevölkerung befürchtete, dass es bei Bovenden zu einer Schlacht kommen könnte. Zwischen Northeim und Nörten-Hardenberg wurden die hölzernen Eisenbahnbrücken zersägt und die steinernen gesprengt.
»Das Eisenbahngleis wurde aufgerissen und entzwei geschlagen«.
Die Preußen brauchten aber nur zwei Tage, um die Südbahn Hannover-Kassel zu reparieren.

Die hannoversche Armee musste reagieren:
Am frühen Nachmittag des 21. Juni marschierte die gesamte hannoversche Armee von Elliehausen über Göttingen nach Rheinhausen.
Kurz vor elf Uhr abends überschritt die hannoversche Armee die preußische Grenze.
Danach zogen die Truppen mit »Musik und Hurra« in Heiligenstadt ein.
»Die Telegrafen wurden sofort abgehauen«.

Am 22. Juni ging es weiter nach Mühlhausen und zwei Tage später nach Eisenach und Gotha.
Von Süden rückten die Bayern an, »wenn auch nicht mit der wünschenswerten Beeilung«.

Am 26. Juni lag das Zentrum der hannoverschen Armee in Merxleben, einem Dorf bei Langensalza.

Noch war dieser Krieg für viele Soldaten wie ein Camping-Urlaub:
»Zogen um 4 Uhr weiter nach Merksleben und bezogen da ein Biwak in den Wiesen, wo es sehr gutes Ruhen war.
Gingen hin und badeten uns, es wurde sehr viel Fleisch gekocht, daß wir ordentlich essen sollten …«
Doch mitten in die friedliche Mahlzeit knallte plötzlich Kanonendonner.
Die Preußen griffen an.

Die Armee des Königreichs Hannover lag mit 20.000 Mann bei dem kleinen Dorf Merxleben in der Nähe von Langensalza in Thüringen.
Ihnen gegenüber standen 10.000 preußische Soldaten unter General von Flies.
Der General wusste, dass er zwar im Moment unterlegen war, aber er wusste auch, dass eine riesige Armee zu seiner Verstärkung unterwegs war.
Die versprochene Verstärkung  der Hannoveraner blieb unterdessen aus.

General von Flies hatte einen Plan:
Er wollte die Soldaten aus dem Königreich Hannover so lange festhalten, bis sie sich unter der erdrückenden Übermacht ergeben mussten.

Am 27. Juni gegen 4 Uhr morgens kam es zu einem ersten Geplänkel zwischen hannoverschen Dragonern und preußischen Husaren.
Gegen 8 Uhr 30 meldeten die hannoverschen Kavallerieposten den Anmarsch der Preußen aus Richtung Hennigsleben.
Ein Parlamentär wurde über die Linien geschickt, aber von den preußischen Vortruppen zurückgewiesen.
Um halb zehn zeigte sich die preußische Armee und die Hannoveraner zogen sich aus Merxleben zurück.

General von Arentsschildt gab den Befehl, Langensalza nicht aufzugeben, aber die Hannoveraner konnten sich unter dem feindlichen Artilleriefeuer nicht mehr festsetzen.
Gegen 10 Uhr erhielt die 1. Brigade den Befehl, Langensalza wieder zu besetzen. Gleichzeitig wurden andere Brigaden in Marsch gesetzt. Der preußische Oberbefehlshaber General von Flies eröffnete gegen 11 Uhr die Schlacht.
Er wollte die Armee der Hannoveraner so lange festhalten, bis sie von nachrückenden preußischen Truppen eingekesselt wären.
»… bald tobten vor Merxleben heftige Infanterie- und Artilleriekämpfe.
Unter dem preußischen Gewehrfeuer hatten die Hannoveraner sehr zu leiden, sie fanden wenig Deckung, mußten sich beim Laden immer wieder etwas aufrichten, da ihre Vorderlader keine Ladung im Liegen gestatteten«. Die preußischen Soldaten schossen mit modernen Zündnadelgewehren.

Sie konnten 7 Mal pro Minute schießen und mussten zum Nachladen nicht aufstehen.
Seit dieser Schlacht war die Kavallerie in kriegerischen Auseinandersetzungen bedeutungslos - gegen eine derart verbesserte Feuerkraft der Infanterie konnten berittene Soldaten nichts mehr ausrichten.
Obwohl die Hannoveraner pausenlos von drei Seiten aus beschossen wurden, gaben sie nicht auf.
Es gelang ihnen, einen preußischen Munitionswagen in die Luft jagen.
Der Angriff wurde abgeschlagen. Zwischenzeitlich war es den Preußen aber gelungen, das linke Ufer der Unstrut zu erreichen. Doch die Hannoveraner hatten Glück:
General Flies wurde krank und ohne klare Führung der Preußen misslang die Erstürmung.
Gegen 12 Uhr gingen »die hannoverschen Jäger durch die Unstrut gegen das Badewäldchen vor, die Preußen wichen langsam zurück.
Um 1 Uhr endlich gab General von Arendsschild den Befehl zum Vorgehen auf der ganzen Linie…eroberte nach heftigem Kampf um 2 Uhr Kallenbergs Mühle, wobei Oberstleutnant Flöckher … siegreich eingriff«.
Die Soldaten mussten quälend lange 500 Meter ohne Deckung durchlaufen. Entsprechend hoch waren unter dem Dauerfeuer der Preußen die Verluste. Die Hannoveraner kämpften sich bis zum rechten Uferrand vor.
Ein Augenzeuge schilderte seine Erlebnisse so:
»… gegen 3 Uhr nachmittags – erhob sich die ganze Front an der Unstrut zum Sturm auf das Badewäldchen«. Das hatten die Preußen kurz vorher eingenommen. »Könecke, bisher noch unverwundet, sprang mit vor, es ging vor, es ging durch die Unstrut, eine Wiesenniederung und durch Kornfelder. Hier bekam er eine Verwundung, eine Kugel durchschlug die Patronentasche und riß ihm den Leib und den rechten Oberschenkel auf. Er sank im Roggenfelde nieder und erwartete den Tod«.
Könecke wurde nach fünf Stunden gefunden und wurde später vollständig genesen. Bei der Schlacht von Langensalza kam übrigens das rote Kreuz zu seinem allerersten Einsatz.
»Die Schlacht tobte weiter, pfeifend sausten die Kugeln über ihn weg. Durch den umfassenden Angriff sahen sich die Preußen gezwungen, das Badewäldchen zu räumen. Der preußische Oberleutnant de Barres zog sich mit seinen Truppen zurück, er wurde bis Henningsleben verfolgt«. Hannover hatte gesiegt.
Am Abend des 27. Juni gegen 19 Uhr hielt König Georg V. mit seinen Generälen einen »Kriegsrat« ab, um sich ein Bild der Lage zu verschaffen: Militärisch hatte das Königreich Hannover gegen Preußen gewonnen.

Aber nur diese eine Schlacht, denn die Hannoveraner waren kräfte- nachschubmäßig am Ende.

Deswegen erklärte der König am 28. Juni gegen 11 Uhr seine Kapitulation: aus »landesväterlicher Sorge für meine in der Armee die Waffen tragenden Landeskinder« konnte er es nicht verantworten, »das Blut meiner treuen und tapfern Soldaten in einem Kampfe vergießen zu lassen«.
In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni wurde im Schützenhaus von Langensalza die Kapitulationsurkunde unterzeichnet.

König Wilhelm von Preußen wollte seinen Vetter Georg ursprünglich nur mit Gebietsabtretungen bestrafen.
Das Königreich Hannover sollte, wenn auch etwas kleiner, weiter bestehen.

Doch des Königs Ministerpräsident Otto von Bismarck-Schönhausen hatte andere Pläne:

Bismarck wollte das geographisch zerrissene Preußen durch die Einverleibung Hannovers zusammenbringen.

Am 27. Juli stellte König Georg ein Gnadengesuch an seinen Vetter König Wilhelm.
Doch es war zu spät - der Brief wurde nicht mehr angenommen.

Georg V. war der letzte König von Hannover.

Er ging ins österreichische Exil nach Hietzing (heute ein Stadtteil von Wien).
Am 16. August ließ König Wilhelm von Preußen verkünden, dass »das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen, das Herzogtum Nassau und die freie Stadt Frankfurt von Preußen annektiert werden würden«.



Bild: Sturmlauf der Hannoveraner in der Schlacht von Langensalza nach einer Zeichnung von O. Handlow.


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« Letzte Änderung: 20. März 2012, um 01:08:03 Uhr von (versteckt) »

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